Niederwild unter Druck
Seit 1960 haben sich in der Steiermark die Strecken bei Fasan und Hase um ca. 90% verringert. Die Rebhuhnstrecken sind in dieser Zeit von ca. 8.500 Stück auf praktisch Null gesunken! Vielerorts wird bereits auf die Bejagung des Niederwildes verzichtet. Was der Jäger gegen den Rückgang des Niederwildes machen kann, haben wir den Niederwildreferenten Werner Ch. Leitner gefragt. Das Interview führte Jagablattl Steiermark-Chefredakteur Harald Bauer.
Die Niederwildbesätze haben sich in den letzten Jahrzehnten in der Steiermark dramatisch reduziert. Welche Ursachen hat diese Entwicklung und was kann der Niederwildjäger dagegen tun?
Nicht nur die Steiermark hat dieses Problem. In vielen typischen Niederwildgebieten Österreichs gibt es ähnliche Trends. Die Hauptursache ist sicherlich im zunehmenden Verlust des Lebensraumes zu suchen. Die landwirtschaftlichen Produktionsmethoden haben sich stark verändert, Wohnraum- und Deckungseinstände – vor allem in der vegetationslosen Periode – fehlen und auch die Nahrungsgrundlagen sind eintönig geworden bzw. in den Wintermonaten oft gänzlich verschwunden. Wenn man sich den Schwund der Insektenbiomasse vor Augen führt, wird auch deutlich, vor welcher Situation die Hühnervögelkücken in den ersten Lebenswochen stehen. Wenn ich an meine Jugend zurückdenke, wie oft ich die Windschutzscheibe meines Autos reinigen musste, um hunderte Insekten zu entfernen, und dies mit der heutigen Situation vergleiche, braucht man sich nicht lange mit wissenschaftlichen Studien zum Rückgang der Insektenbiomasse beschäftigen.
Was kann der Niederwildjäger tun?
Das Wichtigste scheint mir, sich nicht entmutigen zu lassen und wieder Reviereigenverantwortung zu übernehmen. Der eine oder andere Revierjäger ist selbst Grundeigentümer oder Landwirt und kann somit zur Biotophege beitragen. Auch so manche Gemeinden haben agrarische Liegenschaften, die für die ansässigen Landwirte aufgrund der Lage etc. eventuell wenig interessant sind und für Biotophegemaßnahmen Verwendung finden könnten. Auch gibt es dort und da kleine Streifen, die man eventuell nutzen kann. Viele Landwirte sind durchwegs bereit, auch für diese prekäre Situation etwas Positives beizutragen. Über eines muss sich der Niederwildrevierjäger jedoch im Klaren sein: Niederwildhege braucht Zeit, Hartnäckigkeit und ist aufwändig. Und nicht die Einzelmaßnahme sondern die Summe aller zu setzenden Maßnahmen wird erst die Situation verbessern können.
Sie sprechen von Maßnahmen. Welche kann der Revierjäger durchführen?
Neben der bereits erwähnten Biotophege gibt es noch eine Fülle anderer Maßnahmen. Die Bejagung generalistischer und opportunistischer Beutegreifer, die artgerechte Fütterung, die Wildschutzmaßnahmen, die Besucherstromlenkung sowie nachhaltige Bestandsnutzungen und Bestandsstützungsmaßnahmen kann man hier als Maßnahmenkategorien zusammenfassen.
Sie erwähnen die Raubwildbejagung gleich als erste Maßnahme. Hat das einen Grund?
Gleich vorweg – ja, das hat einen Grund. Seit langem verfolge ich schon die diversen Bemühungen um die Niederwildhege in österreichischen, deutschen und ungarischen Revieren. Vielerorts wurden und werden wissenschaftlich begleitete Versuchsreviere betrieben. Und überwiegend kommt man zur Erkenntnis, dass die Bemühungen um die Niederwildbesätze ohne Kontrolle des Raubwildes nicht zu den erwünschten Resultaten führen. Dazu darf ich Dr. Volker Guthörl zitieren, der anlässlich des Niederwildsymposiums 2018 in Oberösterreich unter anderem folgende zentrale Aussage tätigte: „Ohne Prädationskontrolle haben alle Maßnahmen zur Verbesserung des Wildlebensraumes nur geringe Auswirkungen; sie können sich sogar negativ auswirken!“ Was er damit unmissverständlich zum Ausdruck bringt, ist, dass Biotophegemaßnahmen ohne gleichzeitiger Raubwildkontrolle zu keinen nennenswerten Resultaten führen. „Erst kommt nicht gefressen werden. Dann erst ‚schöner wohnen‘“, um es mit den Worten von Werner Kuhn (Netzwerk Lebensraum Feldflur) zu sagen. Selbst in Naturschutzgebieten, in denen man sich unter anderem um seltene bodenbrütende Arten bemüht, hat man zur Kenntnis nehmen müssen, dass es ohne einer Kontrolle des Raubwilddruckes nur geringe Erfolge gibt. Wir leben nicht mehr in einem sich selbst regulierenden Ökosystem. Gerade Nahrungsgeneralisten wie Fuchs, Dachs, Elster, Aaskrähe etc. und Beuteopportunisten wie Stein- und Edelmarder können je nach Lebensraum auf andere Nahrungsquellen ausweichen. Die Fuchsspuren am Fressnapf der Hauskatze direkt vor der Haustüre sind ein Beispiel dafür. Diese Beutegreifer wird es noch geben, selbst wenn der letzte Hase, der letzte Fasan und das letzte Rebhuhn aus dem Revier verschwunden sind.
Was heißt dies nun im Konkreten für den Niederwildrevierjäger?
Wir müssen die Liebe zur Raubwildbejagung neu entfachen! Vor allem im Bereich von Hegeinseln, Auswilderungsbiotopen, Remisen etc. ist die Räuberkontrolle von großer Bedeutung. Ansonsten können derartige Hegeflächen zu regelrechten Prädationsfallen werden. Lassen sich Fuchs und Dachs noch einigermaßen gut mit Büchse und Flinte, mit der Baujagd, mit dem Ansitz am Bau und am Luderplatz bejagen, so sind andere Arten wie Stein- und Edelmarder, Iltis, Hermelin etc. nur durch die Fallenjagd wirksam zu regulieren. Auch die Prädation durch Rabenvögel und Wanderratten spielt eine bedeutungsvolle Rolle. Insgesamt ein großes Betätigungsfeld für die passionierten Raubwildjäger. Übrigens, für angehende Fallenjäger bietet WEIDWERK mit ZUKUNFT fortlaufend Kurse an. Dafür steht uns auch ein eigener Fallenpark im Bezirk Leibnitz zur Verfügung.
Wie schon vorhin erwähnt, gilt es allerdings auch verschiedene andere Maßnahmen zu setzen bzw. zu optimieren, um eine wirkungsvolle Niederwildhege umsetzen zu können. Ich denke da beispielsweise an die Umstellung der Niederwildfütterung. Herkömmliche Fütterungen – wie die Schütten – haben nämlich auch viele Nachteile. So werden diese oft zu „Hochburgen“ von Wanderrattensippen. Diese vertreiben Fasan und Rebhuhn bei der Nahrungsaufnahme und verursachen hohe Kosten, in dem sie das für das Wild vorgesehene Futter fressen. Als Allesfresser plündern sie auch Gelege und nehmen Hühnervögelkücken an. Weiters denke ich an verschiedene Wildschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft, aber auch an die Möglichkeiten der Besucherstromlenkung und vieles mehr.
Was wollen Sie abschließen noch dem Niederwildjäger als wichtigste Nachricht mitteilen?
Wie schon eingangs erwähnt: Hartnäckigkeit und Umsetzungswillen im Bereich der Niederwildhege und die Bereitschaft zur Weiterbildung sind unbedingt notwendig, verbunden mit dem Bewusstsein der Eigenverantwortung über sein Revier.
Sehr geehrter Herr Leitner – ich danke für das Gespräch.