Der Einfluss des Raubwilddruckes auf Niederwildbesätze ist ein häufig diskutiertes Thema unter Jägern. Wie hoch dieser Einfluss ist und was der Jäger Weiteres gegen den Rückgang des Niederwildes machen kann haben wir den Niederwildreferenten der Steirischen Landesjägerschaft Werner Ch. Leitner gefragt. Das Interview führte Chefredakteur Harald Bauer.
Herr Leitner – Sie sind jetzt seit ca. einem Jahr Niederwildreferent des Landes Steiermark. Wie schätzen Sie die Situation des Niederwildes ein und welche Maßnahmen haben Sie bis dato getroffen?
Die Besätze von Hase, Fasan und Rebhuhn haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verringert. Ohne vermehrten Bemühungen um die Hege dieser Arten wird sich die derzeitige Situation nicht verbessern – im Gegenteil – ich vermute dass ohne Gegenmaßnahmen die Besätze noch weiter zurückgehen werden.
Zu Beginn meiner Tätigkeit als Niederwildreferent haben wir in der Steuergruppe „Niederwild“ – dieser gehören BJM Eder (SO), BJM Mag. Neubauer (LB), DI Tiefnig (Wildbiologe des Amtes der Steirischen Landesregierung) und DI Sommerhofer (ehemaliger Niederwildreferent der Steir. Landesjägerschaft) an – einen Maßnahmenkatalog erarbeitet. Die verschiedenen Maßnahmen haben wir in sieben Kategorien wie folgt unterteilt: Biotophege, Prädationsdruckminderung, artgerechte Fütterung, Wildschutz, Besucherlenkung, Bestandsstützung und Bestandsnutzung.
Des Weiteren haben wir eine wissenschaftliche Rebhuhnstudie in Auftrag gegeben, die einerseits die noch vorhandenen potenziellen Lebensräume des Rebhuhns und andererseits die letzten Reliktvorkommen erhebt. Basierend auf diesen Daten werden wir dann die zu treffenden Artenschutzmaßnahmen für das Rebhuhn festlegen.
Ebenfalls führen wir die durch meinen Vorgänger DI Sommerhofer gegründeten „Musterreviere“ weiter, die unter Beiziehung des Wildökologen Mag. Klansek vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie Wien betreut werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass Niederwildreviere eine kostenlose „Vor-Ort- Revieranalyse“ und Revierberatung durch den Wildökologen beantragen. Interessierte Revierpächter mögen sich bitte an das Landesjagdamt oder direkt an mich wenden. Im Bezirk GU und LB wurde auch die „Niederwildhegeregion Kainachtal“ gegründet in der gemeinsame und revierübergreifende Hegebemühungen stattfinden. Diese Hegeregion sollte in die angrenzenden Nachbarreviere erweitert werden.
Anlässlich der letzten Sitzung der Steuergruppe „Niederwild“ wurde eine Ankaufsförderung von Fallenmeldersystemen beschlossen. Fallenmeldersysteme sind technische Geräte, die das Schließen von Lebendfangfallen dem Jäger innerhalb von wenigen Sekunden melden. Damit ist eine unmittelbare und fangzeitpunktnahe Behebung des Stückes möglich. Aus meiner Sicht ein weiterer Fortschritt im Bereich der tier(schutz)gerechten und weidgerechten Fangjagd. Allerdings können diesbezügliche Förderanträge derzeit noch nicht gestellt werden, da Landesjägermeister Mayr-Melnhof-Saurau diese Ankaufsförderung mit der Tierschutzombudsfrau akkordieren will.
Wie sollte ihrer Meinung nach ein Revierleiter vorgehen, der sich dazu entschlossen hat vermehrt Zeit und Geld in die Niederwildhege zu investieren?
Lassen Sie mich diese Frage am Beispiel des Niederwildversuchsrevieres, dass ich seit September 2017 im Bezirk Leibnitz betreue beantworten: Am Anfang habe ich mir einen Gesamtüberblick über das Revier gemacht (vorhandene Revierstrukturen und Hegeeinrichtungen, vorhandene Niederwild- und Raubwildbesätze etc.), einen Revierplan angefertigt und die umzusetzenden Maßnahmen definiert. In den Revierplan habe ich die bestehenden Hegeeinrichtungen (Fütterungen, etc.), Fuchs- und Dachsbaue, bestehenden Biotophegeflächen etc. eingetragen. Gleichzeitig habe ich mit den Grundeigentümern und Landwirten Kontakt aufgenommen, um geeignete Flächen für Biotophegemaßnahmen zu finden. In diesem Revier habe ich auch den Vorteil, dass ich selbst agrarische Flächen besitze, die ich für Biotophegemaßnahmen verwende. Die Fasanschütten haben wir durch Futterautomaten (ca. sechs je 100 Hektar) ersetzt und mit einer Mischung von Weizen und Hirse beschickt. Am Standort der Futterautomaten haben wir Tränken errichtet. Dem Feldhasen werden im offenen Feld im Winter Rüben (Futterrübe, Zuckerrübe) vorlegen. Um den Prädationsdruck zu verringern wurde die Raubwildbejagung intensiviert. Dazu wurden auch an den passenden Fangplätzen Lebendfangfallen installiert. Von großer Bedeutung ist, dass man die Hegebemühungen großräumig – und damit meist revierübergreifend – koordiniert. Diesbezüglich ist auch der gute Kontakt zu den Reviernachbarn wesentlich. Vor allem die Raubwildbejagung muss großräumig durchgeführt werden, um den „Sogeffekt“ so gering wie möglich zu halten. Als wesentlich erachte ich auch, dass Wintereinstandsgebiete nicht im Frühjahr – zur Zeit der Brut und der Jungenaufzucht – verändert und beunruhigt werden.
Welche Größe sollte eine Niederwildhegeregion Ihrer Meinung nach haben?
Je größer die Hegeregion ist desto größer wird der Erfolg für das einzelne Revier sein. Als Mindestgröße erachte ich ca. 3.000 ha!
Welche negativen Einflüsse machen unserem Niederwild am meisten Probleme?
Nehmen wir beispielsweise den Feldhasen her. Wie Untersuchungen zeigen hat der Feldhase in der Regel kein Fertilitätsproblem (Fruchtbarkeitsproblem) sondern ein Problem mit der hohen Sterblichkeit. Aufgrund von Uterusuntersuchungen (Uterusnarben) weiß man, dass eine Häsin bis zu ca. 12 Junge pro Jahr bringt. Um die Jungen kräftig und widerstandsfähig zu halten, braucht die Häsin eine genügend große und gehaltvolle Milchmenge. Hasenmilch enthält über 20% Fettanteil – eine gehaltvolle Milch kann nur bei guter eigener Vitalität abgegeben werden. Somit ist es wichtig, dass die Häsin in ihrer Feistzeit (Spätherbst und Winter) genügend Reserven anlegen kann, damit die Jungen des ersten Satzes widrige Witterungsverhältnisse besser überstehen können.
Neben den landwirtschaftlichen Bearbeitungsmethoden ist das Hauptproblem des Hasen der hohe Raubwilddruck in der Jugend. Der Feldhase hat primär ein Problem der Jugendsterblichkeit! Von den jagdlich regulierbaren Arten sind es vor allem die Rabenvögel, Marderartige und der Fuchs die einen hohen Prädationsdruck ausüben. Und hier kann und muss der Niederwildheger ansetzen.
Wie Studien des Niederwildforschungsprojekt „Das Mögliche tun“ – ein Projekt, dass im Auftrag des Ministeriums für Umwelt und Forst und des Landesjagdverband in Rheinland-Pfalz vom April 2001 bis Dezember 2007 lief – zeigen, führt eine konsequente Raubwildregulierung (gepaart mit Biotopverbesserungen und nachhaltiges Nutzen des Niederwildbestandes) zum Erfolg.
Wie sollte Ihrer Meinung nach die Raubwildbejagung durchgeführt werden?
Den Fuchs sollte man – unter Einhaltung der gesetzlichen Regelungen – ganzjährig bejagen. Die bekannten Bejagungsmethoden mit Büchse und Flinte (Baujagd, Ansitz am Bau, Luderplatz und frisch gemähte Wiesen und Stoppelfelder, Reizjagd, Drückjagd etc.) sollten durch die Verwendung von Wipp-Betonrohrfallen ergänzt werden. Die Bejagung von Stein- und Edelmarder, Iltis und Wiesel ist nur mit den erlaubten Lebendfangfallen nachhaltig möglich.
Oft werde ich gefragt, wie viele Fangsystem man betreiben soll. Als Faustrege für 100 ha gilt: Zwei Rohrfallensysteme und vier weiter Fangsysteme, die für Marder und Iltis geeignet sind. Ich verwende Rohrfallensysteme (System Mester), Wipprohrfallensysteme (System Trapper mit hängender Wippe) sowie Marderbunker und große Koffer- und Kastenfallen. Für den Wieselfang verwende ich Wippbrettfallen in Kombination mit Wieselschächten. Alle großen Fallen betreibe ich in Kombination mit einem Fallenmeldersystem (Trappmaster professional), wodurch eine fangzeitnahe Behebung möglich ist. Wieselfallen muss man zwei Mal täglich kontrollieren.
Übrigens: Es ist nicht entscheidend, wie viel Beutegreifer man erlegt hat, sondern niederwildhegerelevant ist, wie hoch der verbleibende Prädationsdruck im Revier ist. Eine wirksame Methode wie man den verbleibenden Prädationsdruck eruieren kann ist über die sogenannte „Kunstgelegemethode“ möglich. Diese Methode werde ich in einem gesonderten Artikel dieser Zeitung vorstellen.
Sehr geehrter Herr Leitner, ich danke für das Gespräch.